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365 Tage Krieg: Queere Menschen brauchen weiterhin Unterstützung

Berlin, 22. Februar 2023 – Das Aktionsbündnis Queere Nothilfe Ukraine hat knapp eine Million Euro für queere Menschen auf der Flucht gesammelt und hilft bei der Evakuierung sowie auf der Flucht, der Unterbringung und Versorgung. Trotz Spendenrekord: Nach einem Jahr ist weitere Hilfe so nötig wie vor einem Jahr.

Direkt nach Kriegsbeginn am 24. Februar 2022 nahm ein beispielloses Bündnis seine Arbeit auf: Das Bündnis Queere Nothilfe Ukraine unterstützt queere Menschen aus und in der Ukraine auf der Flucht und in Notlagen. Sie sind aufgrund von queerfeindlicher Stigmatisierung, Diskriminierung und Gewalt zusäzlich gefährdet und haben oft besondere Bedürfnisse, etwa bezüglich einer sicheren Unterbringung oder medizinischer Versorgung. Große Hilfsorganisationen können darauf nicht eingehen.

Aktionsbündnis leistet insbesondere Hilfe in der Ukraine selbst

Das Aktionsbündnis konnte eine enorme Spendenbereitschaft aktivieren: Aktuell liegen die Spendeneinnahmen bei fast einer Million Euro – mehr wurde bei keiner anderen lsbtiq*-spezifischen Spendenaktion in Deutschland in einem ähnlichen Zeitraum eingesammelt. Genutzt werden die Gelder, um Notunterkünfte in der Ukraine – sogenannte Shelter – bei der dringend benötigten Versorgung und Evakuierung queerer Menschen zu unterstützen. Um dies sicherzustellen, kooperiert das Aktionsbündnis mit über 15 lokalen Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs), wie z.B. dem KyivPride, Alliance Global, der Gay Alliance Ukraine, lokalen Organisationen wie Gender Zed in Saporischschja, Sphere in Charkiw oder auch der Trans-Organisation Kohorta, um nur einige zu nennen. Zur dringend notwendigen Versorgung gehört die Grundversorgung mit Lebensmitteln, Trinkwasser und Medikamenten wie Schmerzmitteln, aber auch Kleidung, Matratzen, Drogerie- sowie Hygieneartikel und Powerbanks oder Generatoren. In Kooperation mit Apotheker ohne Grenzen unterstützt die Queere Nothilfe Ukraine darüber hinaus bei der Beschaffung und Belieferung mit Hormonpräparaten für trans* Menschen und Gehhilfen. In 13 Direkttransporten konnte das Aktionsbündnis somit die Versorgung mit Hilfsgütern in Lwiw, Kyjiw, Charkiw, Uschgorod, Odesa und Tschernowitz sicherstellen. 

Aber auch Einzelfallhilfe findet statt. Spenden können mittels Antrag über queere NGOs und Flüchtlingsorganisationen in der Ukraine für individuelle Bedürfnisse angefragt werden. So bezahlte die Queere Nothilfe Ukraine zum Beispiel einem schwulen Paar ohne ukrainische Staatsangehörigkeit die Krankenversicherung, deren Nachweis für Drittstaatler*innen notwendig ist, um ein Visum zu beantragen. Somit konnte das Paar ausreisen und nach Deutschland in Sicherheit flüchten.

Nach zwölf Monaten dürfte uns allen klar geworden sein, dass Geduld und Resilienz die wichtigsten Ressourcen sind, um diesen Krieg zu gewinnen”, sagt Stanislav Mishchenko, Vorstandsmitglied bei KyivPride und Gründungsmitglied von Munich Kyiv Queer, einer Mitgliedsorganisation des Bündnis Queere Nothilfe Ukraine. “Die Spenden der deutschen Community tragen dazu bei, unsere Widerstandskraft zu stärken und für diese Solidarität sind wir sehr dankbar. Denn mit diesen Geldern unterstützen wir eine vulnerable Gruppe, die neben Lebensmitteln, Kleidung und Medikamenten oft eines besonderen Schutzes bedarf. Es sind Tausende, die in diesen dunklen Tagen hoffnungsvoll nach Deutschland blicken. Ihre Not dürfen wir nicht aus den Augen verlieren.”

Aktionsbündnis bietet Beratung, Betreuung und Beteiligung

Das Aktionsbündnis beteiligt sich zudem an Gemeinschaftsprojekten für eine schnelle und nachhaltige Hilfestellung für Betroffene. So finanzierte das Bündnis 5.000 Erste-Hilfe-Sets zur Erst- und Nachversorgung nach Vergewaltigungen, um  Vergewaltigungsopfer mit notwendigen Medikamenten wie der Pille danach und der PEP zur HIV-Prävention aber auch Schwangerschaftstests  zu versorgen. Mitfinanziert wurde auch der vom Queer Spaces Network in Prag initiierte LGBT Ukraine Chatbot, über den geflüchtete Personen schnell und zuverlässig Informationen zu Serviceangeboten auch in Deutschland erhielten. Gerade zu Beginn des Krieges explodierte die Zahl der Beratungsanfragen von Menschen auf der Flucht. Das digitale Angebot ermöglichte eine zeitnahe Hilfe für sehr viele Menschen, wobei die Antworten nicht durch eine Software erzeugt wurden, sondern von echten Menschen an verschiedenen Orten stammten.

Wir haben viel erreicht, doch wir merken langsam, dass sich die Spendenbereitschaft erschöpft”, erklärt Sasha Gurinova vom Bündnismitglied Deutsche Aidshilfe. “Viele Menschen sind auch nach einem Jahr noch auf der Flucht und in Not. Hinzu kommen aktuell noch gefährliche Versorgungsengpässe mit Heizmaterial und Strom im harten ukrainischen Winter. Wir machen die Bedürfnisse von queeren Menschen in der Ukraine und auf der Flucht weiter sichtbar und helfen, wo wir können. Dafür sind wir weiterhin dringend auf Spenden von Privatpersonen und  Unternehmen angewiesen”.  

Über das Aktionsbündnis

Das Bündnis Queere Nothilfe Ukraine ist ein Zusammenschluss verschiedener Organisationen aus der LSBTIQ*-Community in Deutschland. Es unterstützt queere Menschen, die aus der Ukraine fliehen mussten oder noch im Land sind. Unter https://www.queere-nothilfe-ukraine.de/ueber-uns/ finden Sie eine Übersicht der beteiligten Organisationen, Petitionsunterzeichner*innen sowie weiterführende Informationen.

Pressekontakte Bündnis Queere Nothilfe Ukraine

Bei Rückfragen oder Interview-Anfragen wenden Sie sich bitte an

Sören Landmann | +49 179 75 26 209 oder Conrad Breyer | +49 170 18 59705 presse@queere-nothilfe-ukraine.de

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Offener Brief an Vertreter*innen der Bundesregierung

An Bundeskanzler Olaf Scholz
An Vizekanzler Dr. Robert Habeck
An Außenministerin Annalena Baerbock
An Innenministerin Nancy Faeser
An die Staatsministerin und Integrationsbeauftragte der Bundesregierung Reem Alabali-Radovan
An den Queer-Beauftragten der Bundesregierung Sven Lehmann
An die Menschenrechtsbeauftragte im Auswärtigen Amt Luise Amtsberg

Wir, Vertreter_innen diverser Organisationen aus der LSBTIQ*-Community in Deutschland, organisiert im Bündnis Queere Nothilfe Ukraine, sind sehr besorgt über die Lage in und um die Ukraine. Uns erreichen viele Nachrichten von LSBTIQ*, ihren Familien und ihren zivilgesellschaftlichen Vertreter_innen.

Wir fordern die Bundesregierung auf, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um gefährdeten Menschen aus der Ukraine mit und ohne ukrainische  Staatsangehörigkeit, besonders LSBTIQ*, die in die EU bzw. nach Deutschland flüchten wollen, Schutz zu gewähren.

Seit dem Angriffskrieg auf die Ukraine am 24. Februar 2022 hat sich die Lage dramatisch verschärft. Schon am ersten Tag des Überfalls wurde wichtige Infrastruktur zerstört. Viele Menschen flüchten  innerhalb des Landes, aber auch Richtung Rumänien, Slowakei, Moldawien und Polen. Da Flughäfen großflächig bombardiert wurden, können die Menschen die Ukraine nur noch über den Landweg verlassen. Diese Flucht wird stark erschwert durch Checkpoints, Benzinmangel und chaotische Zustände. 

Queere Organisationen vor Ort berichten uns, dass trans* Personen ohne angeglichene Papiere die Checkpoints nicht passieren können und unter Umständen keinen biometrischen Pass haben, der aber für eine Einreise in die EU notwendig ist. Zurzeit dürfen nur weiblich gelesene Menschen und Kinder die anliegenden EU-Grenzen überqueren. Es wird befürchtet, dass HIV- und trans*medizinische Medikation ausgehen wird. Zudem bedroht die angeordnete militärische Generalmobilmachung auch schwule und bisexuelle Männer sowie trans* Frauen und intergeschlechtliche Frauen mit einem männlichen Geschlechtseintrag. Diese Gruppen sind bei Gefangennahme, aber auch im militärischen Alltag besonders vulnerabel. 

Die russische Aggression verstärkt die finanzielle Krise in der Ukraine und wird eine zunehmende Verarmung der Bevölkerung zur Folge haben. Das trifft besonders  prekarisierte Menschen. Gesellschaftlich diskriminierte Minderheiten wie Menschen mit psychiatrischen Diagnosen, LSBTIQ* und Menschen mit Behinderungen waren bereits vor dem Angriff besonders prekarisiert, und sind jetzt noch mehr gefährdet. Nach Berichten des US-Auslandsnachrichtendienstes sind diese vulnerablen Gruppen besonders gefährdet. Sie könnten Opfer gezielter Angriffe werden oder aufgrund von Homo- und Transphobie vom Zivilschutz ausgenommen werden.

Wir fürchten um die Sicherheit und das Leben von LSBTIQ* Menschenrechtsaktivist_innen vor Ort. Unterstützende Gruppen und Organisationen wie Insight, Sphere, Kyiv Pride, Cohort, LIGA, HPLGBT, Egalite Intersex Ukraine und Trans*Generation können ihre Arbeit nicht weiterführen. Ihre Aktivist_innen sind gefährdet.

Zusätzlich sorgen wir uns auch um die Menschenrechtssituation von geflüchteten LSBTIQ* aus der Ukraine in den Ländern Mitteleuropas. Die größte Fluchtbewegung ist nach Polen, Ungarn und Rumänien zu erwarten. Dort erleben Geflüchtete allgemein, und besonders schutzbedürftige Minderheiten nochmal verstärkt, Mehrfachdiskriminierung. So haben die Regierungen dieser Länder in den letzten Jahren eine massiv LSBTIQ*-feindliche Politik vertreten und durchgesetzt. Die ungarische Regierung verweigert die Umsetzung eines EGMR-Urteils, wonach Geflüchteten eine Anerkennung ihrer Geschlechtsidentität zusteht. LSBTIQ* Geflüchtete sind in diesen Ländern nicht sicher!

Wir fordern die Bundesregierung auf:

  • ihre uneingeschränkte Solidarität mit der Ukraine zu erklären;
  • umgehend Menschen aus der Ukraine, inkl. jener vor dem Krieg aus anderen Ländern in die Ukraine Geflüchteten, einen gesicherten Aufenthalt nach Aufenthaltsgesetz mit der Erlaubnis zu arbeiten zuzuerkennen und sich im Rahmen des EU-Rates dafür einzusetzen, dass Richtlinie 2001/55/EG des Rates vom 20. Juli 2001 auf fliehende Ukrainer_innen umgehend angewendet wird;
  • vulnerable Minderheiten, wie z. B. LSBTIQ*, Regenbogenfamilien und deren Menschenrechtsverteidiger_innen vor Ort in den Schutz- und Unterstützungsmaßnahmen Deutschlands explizit zu benennen;
  • umgehend ein Aufnahmeprogramm für besonders schutzbedürftige Geflüchtete aus der Ukraine aufzulegen und umzusetzen;
  • die deutsche Polizei und den Grenzschutz anzuweisen, besonders schutzbedürftige Geflüchtete aus der Ukraine nicht nach Polen, Ungarn, Rumänien, Slowakei oder Moldawien zurückzuschicken, sondern ihnen die Möglichkeit auf ein Asylverfahren in Deutschland zu belassen;
  • sich dafür einzusetzen, dass die EU-Mitgliedsstaaten das “Dublin-Verfahren” aussetzen und stattdessen einem Verteilungsmechanismus für Geflüchtete aus der Ukraine zustimmen;
  • umgehend das BAMF und Mitarbeiter_innen anderer Stellen, die mit Geflüchteten arbeiten, für LSBTIQ*-Themen weiter zu sensibilisieren;
  • Projekten, Initiativen und NROen zu helfen, die in Deutschland LSBTIQ* Geflüchtete unterstützen, und sicherzustellen, dass ihre Arbeit nicht kriminalisiert wird;
  • humanitäre Hilfe vor Ort zu leisten, um sicherzustellen, dass Geflüchteten die notwendige benötigte medizinische Versorgung zukommt, inklusive HIV-Medikamente und geschlechtsangleichende Hormone;
  • darauf hinzuwirken, dass in Deutschland bei der Verteilung der LSBTIQ* Geflüchteten auf die Bundesländer die Versorgung mit LSBTIQ*-spezifischer Beratung sowie ihr besonderer Schutzbedarf bei der Unterbringung berücksichtigt wird; 
  • die Bundesländer dabei zu unterstützen, dass LSBTIQ* Geflüchtete in queeren Wohnheimen, Wohnungen etc. untergebracht werden bzw. dass sie in den Massenunterkünften bestmöglich vor Gewalt geschützt sind;
  • die Aufnahme und das Passieren der EU-Grenzen auch Geflüchteten zu ermöglichen, die nicht mit einem in der EU anerkannten Impfstoff gegen COVID-19 geimpft sind;
  • bei der Aufnahme und Anerkennung ukrainischer LSBTIQ* Geflüchteter gleichgeschlechtliche Paare als Familie anzuerkennen;
  • den Geflüchteten zu ermöglichen, das gesamte Verfahren zu durchlaufen, unabhängig davon, ob sie über entsprechende Ausweisdokumente, Impfbescheinigungen oder Nachweise der Verwandtschaft zwischen den Antragsteller_innen verfügen (wenn die Antragsteller als Paare – Ehemann und Ehefrau – oder als Familie – Ehemann, Ehefrau, Kind, Großmutter, Großvater usw. – ankommen).

Wir fordern die Bundesregierung auf, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um gefährdeten Menschen aus der Ukraine (mit und ohne ukrainische  Staatsangehörigkeit) und hierbei unter anderem auch besonders LSBTIQ*, die in die EU bzw. nach Deutschland flüchten wollen, Schutz zu gewähren. Wir als Vertreter_innen der queeren Community werden die Bundesregierung hierbei unterstützen und begleiten. Für ein persönliches Gespräch dazu, wie auch mittelfristig die queere Community in der Ukraine unterstützt werden kann, stehen wir – sobald die derzeit dynamische Lage dies wieder zulässt – gern bereit und bedanken uns bereits im Voraus für Ihre Unterstützung. 

Die Erstunterzeichner_innen

(in alphabetischer Reihenfolge)

Aids Action Europe

Aktionsbündnis gegen Homophobie e. V.

All Out

Berliner Aids-Hilfe e. V.

BiNe – Bisexuelles Netzwerk  e. V.

Bundesverband Trans* e. V.

CSD Deutschland e. V.

CSD München / Munich Pride

Deutsche Aidshilfe e. V.

dgti – Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität

DIE LINKE.queer

diversity München e. V. – LesBiSchwule und Trans* Jugendorganisation

ENOUGH is ENOUGH!

Europäische und Zentralasiatische Jugendvertretung bei ILGA World

FFBIZ – Das feministische Archiv

Intergeschlechtliche Menschen e. V.

Jugendnetzwerk Lambda e. V.

Kölner Lesben- und Schwulentag e. V. – ColognePride

Lesbenberatung Berlin / LesMigraS

Lesben Leben Familie (LesLeFam) e.  V.

LesbenRing e. V.

Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD)

LesMamas e. V.

LeTRa Lesbenberatung, Lesbentelefon e. V., München

LeZ – Lesbisch-queeres Zentrum München

Münchner Aids-Hilfe e. V.

Munich Kyiv Queer

Organisation Intersex International Europe

PLUS. Psychologische Lesben- und Schwulenberatung Rhein-Neckar e. V. 

Projekt 100% MENSCH gUG

PROUT AT WORK-Foundation

Quarteera e. V.

Queer Amnesty

Queer European Asylum Network – QUEAN

Queer-Future-BW Jugendverband des Netzwerks LSBTTIQ BW

QueerGrün

Queeres Zentrum Mannheim e. V.

Rosa Hilfe Freiburg e. V. 

Rosa Strippe e. V.

Schwulenberatung Berlin

SPDqueer – Arbeitsgemeinschaft für Akzeptanz und Gleichstellung in der SPD

Strong! LGBTIQ* Fachstelle gegen Diskriminierung und Gewalt

SUB – Schwules Kommunikations- und Kulturzentrum München e. V.

The LGBT life e. V. 

Transgender Europe e. V.

TransInterQueer e. V.

Trans-Kinder-Netz e. V.

TransMann e. V.

Trans*Recht e. V.

Trans*Sexworks

Treffpunkt, Fach- und Beratungsstelle Regenbogenfamilien München

VelsPol e. V.

vielbunt e. V.

Völklinger Kreis e. V.

Wählerinneninitiative Rosa Liste München e. V. 

Wirtschaftsweiber e. V.

WostoQ-Regenbogen e. V.

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Jetzt LSBTIQ*-Menschen Schutz gewähren und spenden!

Queere Menschen sind in der Ukraine zurzeit in besonderer Weise in Gefahr. Zahlreiche Organisationen aus der LSBTIQ*-Community in Deutschland haben sich daher im Bündnis Queere Nothilfe Ukraine zusammengeschlossen. Mit einer Petition fordern sie die Bundesregierung auf, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um gefährdeten Menschen aus der Ukraine Schutz zu gewähren – und zwar Menschen mit und ohne ukrainische Staatsangehörigkeit und insbesondere LSBTIQ*, die in die EU bzw. nach Deutschland flüchten wollen. Zugleich hat das Bündnis eine Spendenaktion gestartet, um die dringend notwendige Versorgung queerer Menschen in der Ukraine sowie Evakuierungen zu unterstützen.

„Wir sind sehr besorgt über die Lage in und um die Ukraine. Uns erreichen viele Nachrichten von LSBTIQ*, ihren Familien und ihren zivilgesellschaftlichen Vertreter*innen. Sie sind in höchster Not. Jetzt ist die Zeit entschlossen und gemeinsam zu handeln und so Menschenleben zu retten“, erklärt Stas Mishchenko, Vorstandsmitglied des KyivPride und aktiv bei Munich Kyiv Queer.

„Trans Frauen mit einem männlichen Pass können nicht in sichere Landesteile gelangen oder das Land verlassen, da sie keine internen Check-Points passieren können. Wir befürchten das Schlimmste für sie, sowie trans Männer als auch schwule und bisexuelle Männer, die ebenfalls aufgrund der Generalmobilmachung das Land nicht verlassen dürfen,“ verdeutlicht Richard Köhler, Transgender Europe Advocacy Director.

„Was wir jetzt dringend brauchen, sind solidarische politische Entscheidungen und Geld, um den Menschen möglichst schnell aus ihrer Not herauszuhelfen,“ ergänzt Sören Landmann, Mitinitiator des Bündnis Queere Nothilfe Ukraine und Vorsitzender des Aktionsbündnis gegen Homophobie, das die Spenden aus der Aktion direkt an bedürftige Menschen und Organisationen vor Ort weiterleitet.

Probleme bei Ausreise und medizinischer Versorgung

Seit dem Beginn des Angriffskrieges auf die Ukraine am 24. Februar 2022 hat sich die Lage dramatisch verschärft. Schon am ersten Tag des Überfalls wurde wichtige Infrastruktur zerstört. Viele Menschen flüchten innerhalb des Landes, aber auch Richtung Rumänien, Slowakei, Moldawien und Polen. Da Flughäfen großflächig bombardiert wurden, können die Menschen die Ukraine nur noch über den Landweg verlassen. Diese Flucht wird stark erschwert durch Checkpoints, Benzinmangel und chaotische Zustände. 

Die besonderen Notlagen queerer Menschen erfordern dabei spezifische Hilfe. Queere Organisationen vor Ort berichten uns, dass trans* Personen ohne angeglichene Papiere die Checkpoints nicht passieren können und unter Umständen keinen biometrischen Pass haben, der aber für eine Einreise in die EU notwendig ist. Zurzeit dürfen nur weiblich gelesene Menschen und Kinder die anliegenden EU-Grenzen überqueren. Es wird befürchtet, dass HIV- und trans*medizinische Medikation ausgehen wird. Zudem bedroht die angeordnete militärische Generalmobilmachung auch schwule und bisexuelle Männer sowie trans* Frauen und intergeschlechtliche Frauen mit einem männlichen Geschlechtseintrag. Diese Gruppen sind bei Gefangennahme, aber auch im militärischen Alltag besonders vulnerabel. 

Prekarisierte Gruppen und Aktivist*innen besonders gefährdet

Die russische Aggression verstärkt die finanzielle Krise in der Ukraine und wird eine zunehmende Verarmung der Bevölkerung zur Folge haben. Das trifft besonders prekarisierte Menschen. Gesellschaftlich diskriminierte Minderheiten wie Menschen mit psychiatrischen Diagnosen, LSBTIQ* und Menschen mit Behinderungen waren bereits vor dem Angriff besonders prekarisiert, und sind jetzt noch mehr gefährdet. Nach Berichten des US-Auslandsnachrichtendienstes sind diese vulnerablen Gruppen besonders gefährdet. Sie könnten Opfer gezielter Angriffe werden oder aufgrund von Homo- und Transphobie vom Zivilschutz ausgenommen werden.

Wir fürchten um die Sicherheit und das Leben von LSBTIQ*-Menschenrechtsaktivist*innen vor Ort. Unterstützende Gruppen und Organisationen wie Insight, Sphere, Kyiv Pride, Cohort, LIGA, HPLGBT, Egalite Intersex Ukraine und Trans*Generation können ihre Arbeit nicht weiterführen. Ihre Aktivist*innen sind gefährdet.

LSBTQ* auch in Mitteleuropa nicht überall sicher

Zusätzlich sorgen wir uns auch um die Menschenrechtssituation von geflüchteten LSBTIQ* aus der Ukraine in den Ländern Mitteleuropas. Die größte Fluchtbewegung ist nach Polen, Ungarn und Rumänien zu erwarten. Dort erleben Geflüchtete allgemein, und besonders schutzbedürftige Minderheiten nochmal verstärkt, Mehrfachdiskriminierung. So haben die Regierungen dieser Länder in den letzten Jahren eine massiv LSBTIQ*-feindliche Politik vertreten und durchgesetzt. Die ungarische Regierung verweigert die Umsetzung eines EGMR-Urteils, wonach Geflüchteten eine Anerkennung ihrer Geschlechtsidentität zusteht. LSBTIQ*-Geflüchtete sind in diesen Ländern nicht sicher!

Wir fordern die Bundesregierung auf:

  • ihre uneingeschränkte Solidarität mit der Ukraine zu erklären;
  • umgehend Menschen aus der Ukraine, inkl. jener vor dem Krieg aus anderen Ländern in die Ukraine Geflüchteten, einen gesicherten Aufenthalt nach Aufenthaltsgesetz mit der Erlaubnis zu arbeiten zuzuerkennen und sich im Rahmen des EU-Rates dafür einzusetzen, dass Richtlinie 2001/55/EG des Rates vom 20. Juli 2001 auf fliehende Menschen aus der Ukraine umgehend angewendet wird;
  • vulnerable Minderheiten, wie z. B. LSBTIQ*, Regenbogenfamilien und deren Menschenrechtsverteidiger*innen vor Ort in den Schutz- und Unterstützungsmaßnahmen Deutschlands explizit zu benennen;
  • umgehend ein Aufnahmeprogramm für besonders schutzbedürftige Geflüchtete aus der Ukraine aufzulegen und umzusetzen;
  • die deutsche Polizei und den Grenzschutz anzuweisen, besonders schutzbedürftige Geflüchtete aus der Ukraine nicht nach Polen, Ungarn, Rumänien, Slowakei oder Moldawien zurückzuschicken, sondern ihnen die Möglichkeit auf ein Asylverfahren in Deutschland zu belassen;
  • sich dafür einzusetzen, dass die EU-Mitgliedsstaaten das “Dublin-Verfahren” aussetzen und stattdessen einem Verteilungsmechanismus für Geflüchtete aus der Ukraine zustimmen;
  • umgehend das BAMF und Mitarbeiter*innen anderer Stellen, die mit Geflüchteten arbeiten, für LSBTIQ*-Themen weiter zu sensibilisieren;
  • Projekten, Initiativen und NROen zu helfen, die in Deutschland LSBTIQ*-Geflüchtete unterstützen, und sicherzustellen, dass ihre Arbeit nicht kriminalisiert wird;
  • humanitäre Hilfe vor Ort zu leisten, um sicherzustellen, dass Geflüchteten die notwendige benötigte medizinische Versorgung zukommt, inklusive HIV-Medikamente und geschlechtsangleichende Hormone;
  • darauf hinzuwirken, dass in Deutschland bei der Verteilung der LSBTIQ*-Geflüchteten auf die Bundesländer die Versorgung mit LSBTIQ*-spezifischer Beratung sowie ihr besonderer Schutzbedarf bei der Unterbringung berücksichtigt wird;
  • die Bundesländer dabei zu unterstützen, dass LSBTIQ*-Geflüchtete in queeren Wohnheimen, Wohnungen etc. untergebracht werden bzw. dass sie in den Massenunterkünften bestmöglich vor Gewalt geschützt sind;
  • die Aufnahme und das Passieren der EU-Grenzen auch Geflüchteten zu ermöglichen, die nicht mit einem in der EU anerkannten Impfstoff gegen COVID-19 geimpft sind;
  • bei der Aufnahme und Anerkennung LSBTIQ*-Geflüchteter aus der Ukraine gleichgeschlechtliche Paare als Familie anzuerkennen;
  • den Geflüchteten zu ermöglichen, das gesamte Verfahren zu durchlaufen, unabhängig davon, ob sie über entsprechende Ausweisdokumente, Impfbescheinigungen oder Nachweise der Verwandtschaft zwischen den Antragsteller*innen verfügen (wenn die Antragsteller*innen als Paare – Ehemann und Ehefrau – oder als Familie – Ehemann, Ehefrau, Kind, Großmutter, Großvater usw. – ankommen).

Zur Spendenseite

Zur Petition

Bündnispartner*innen und Erstunterzeichner*innen der Petition:

Aids Action Europe

Aktionsbündnis gegen Homophobie e. V.

All Out

Berliner Aids-Hilfe e. V.

BiNe – Bisexuelles Netzwerk e. V.

Bundesarbeitsgemeinschaft der psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer (BafF) e. V.

Bundesstiftung Magnus Hirschfeld

Bundesverband Trans* e. V.

CSD Deutschland e. V.

CSD München / Munich Pride

Deutsche Aidshilfe

dgti – Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität e. V.

DIE LINKE.queer

diversity München e. V. – LesBiSchwule und Trans* Jugendorganisation

ENOUGH is ENOUGH!

Europäische und Zentralasiatische Jugendvertretung bei ILGA World

FFBIZ – Das feministische Archiv

Intergeschlechtliche Menschen e. V.

Jugendnetzwerk Lambda e. V.

Kölner Lesben- und Schwulentag e. V. – ColognePride

Lesbenberatung Berlin / LesMigraS

Lesben Leben Familie (LesLeFam) e. V.

LesbenRing e. V.

Lesben- und Schwulenverband in Deutschland e. V. (LSVD)

LesMamas e. V.

LeTRa Lesbenberatung, Lesbentelefon e. V., München

LeZ – Lesbisch-queeres Zentrum München

Münchner Aids-Hilfe e. V.

Munich Kyiv Queer

Organisation Intersex International Europe

PLUS. Psychologische Lesben- und Schwulenberatung Rhein-Neckar e. V. 

Projekt 100% MENSCH gUG

PROUT AT WORK-Foundation

Quarteera e. V.

Queer Amnesty

Queer European Asylum Network – QUEAN

Queer-Future-BW Jugendverband des Netzwerks LSBTTIQ BW

QueerGrün

Queeres Zentrum Mannheim e. V.

Rosa Hilfe Freiburg e. V. 

Rosa Strippe e. V.

Schwulenberatung Berlin

SPDqueer – Arbeitsgemeinschaft für Akzeptanz und Gleichstellung in der SPD

Strong! LGBTIQ* Fachstelle gegen Diskriminierung und Gewalt

SUB – Schwules Kommunikations- und Kulturzentrum München e. V.

The LGBT life e. V. 

Transgender Europe e. V.

TransInterQueer e. V.

Trans-Kinder-Netz e. V.

TransMann e. V.

Trans*Recht e. V.

Trans*Sexworks

Treffpunkt, Fach- und Beratungsstelle Regenbogenfamilien München

VelsPol e. V.

vielbunt e. V.

Völklinger Kreis e. V.

Wählerinneninitiative Rosa Liste München e. V. 

Wirtschaftsweiber e. V.

WostoQ-Regenbogen e. V.